Abbas Kiarostami, geboren am 22. Juni 1940 in Teheran, ist der wohl bekannteste und erfolgreichste iranische Regisseur. Seine überwiegend mit Laiendarstellern besetzten Filme nehmen die Perspektive der Unterlegenen, der Kinder und alten Leute ein. Kiarostamis Filmsprache ist einfach und direkt, die Szenen sind nicht kinematographisch gestaltet, d. h. von verschiedenen Standpunkten aus aufgenommen und montiert, sondern laufen in voller Länge vor der Kamera ab. Der internationale Durchbruch gelang ihm Ende der 1980er Jahre. In der Reihe der international herausragenden Regisseure etablierte sich Kiarostami mit einer Filmtrilogie, die zwischen 1987 und 1994 nach eigenem Buch entstand und mit „Wo ist das Haus meines Freundes?“ begann. Die beiden Fortsetzungen „Und das Leben geht weiter“ (1992) und „Quer durch den Olivenhain“ (1994) kehrten an den Drehort von "Wo ist das Haus meines Freundes?" zurück und erkundeten das nach einem Erdbeben 1990 verwüstete Gebiet im nördlichen Iran. Das Filmfestival von Locarno widmete Kiarostami, der von Akira Kurosawa und Jean-Luc Godard zu den größten Cineasten der Gegenwart gezählt wurde, 1995 eine vollständige Retrospektive, bei der erstmals auch seine von der Zensur zurückgestellten und nicht im Ausland aufgeführten Arbeiten zu sehen waren.

1997 erhielt Kiarostami als erster iranischer Regisseur die Goldene Palme bei den Filmfestspielen in Cannes für „Der Geschmack der Kirsche". 1999 entstand der Film „Der Wind wird uns tragen", der wiederum ein positives internationales Kritikerecho auslöste. Bei den internationalen Filmfestspielen in Venedig erhielt er den Spezialpreis der Jury.

Für die Liebesgeschichte „Certified Copy", die 2010 in Cannes im Wettbewerb lief, drehte Kiarostami erstmals im Ausland. Die Hauptdarstellerin Juliette Binoche erhielt auf dem Festival in Cannes eine Auszeichnung als beste Darstellerin. Wie viele von Kiarostamis Filmen durfte auch dieses Werk offiziell nicht im Iran gezeigt werden.

Kiarostami ging gewöhnlich ohne fertiges Drehbuch an die Arbeit und entwickelt die Dialoge zumeist zusammen mit den Darstellern. Er arbeitete bevorzugt mit französischen Ko-Produzenten. Neben seiner Regiearbeit hat Kiarostami auch Drehbücher für andere Regisseure verfasst. 2008 inszenierte Kiarostami erstmals eine Oper, nämlich Mozarts „Così fan tutte" am Théâtre de l'Archevêché in Aix-en-Provence. Kiarostamis erster Gedichtband „In Begleitung des Windes" erschien 2004 auf Deutsch. Abbas Kiarostami verstarb am 4. Juli 2016.

Filmografie (Auswahl)
1970 Nan va Kutcheh (Brot und Gasse)
1972 Zang-e Tafrih (Die Pause)
1973 Tadschrobeh (Die Erfahrung)
1974 Mossafer (Der Reisende)
1975 Manam Mitunam (Ich kann es auch)
1975 Do Rahehal baraye yek Massaleh (Zwei Lösungen für ein Problem)
1976 Rang-ha (Farben)
1976 Lebasi baraye Arusi (Ein Kleid für die Hochzeit)
1977 Gozaresh
1977 Bozorgdasht-e mo’allem (Dem Lehrer zu Ehren)
1977 Az Oghat-e Faraghat-e Khod Chegouneh Estefadeh Konim? (Wie können wir unsere Freizeit nutzen?)
1978 Rah-e Hal-e Yek (Die erstbeste Lösung)
1979 Ghazieh-e Shekl-e Aval, Ghazieh-e Shekl-e Do Wom (Erster Fall, zweiter Fall)
1980 Behdaasht-e Dandan (Zahnhygiene)
1981 Be Tartib ya Bedun-e Tartib (Mit Ordnung oder ohne Ordnung)
1982 Hamsarayan (Der Chor)
1983 Hamshahri (Mein Mitbürger)
1983 Dandan Dard (Der Zahnschmerz)
1984 Avaliha (Die Ersten)
1988 Khane-ye doust kodjast? (Wo ist das Haus meines Freundes?)
1989 Mashgh-e Shab
1990 Nema-ye Nazdik (Close-Up)
1992 Zendegi va digar hitch (Und das Leben geht weiter)
1994 Zire darakhatan zeytun (Quer durch den Olivenhain)
1995 À propos de Nice, la suite (A propos de Nice – Wie es weiterging)
1997 Ta'm e guilass (Der Geschmack der Kirsche)
1999 Bad ma-ra khahad bord (Der Wind wird uns tragen)
2001 ABC Africa
2002 Ten
2003 Five Dedicated to Ozu
2004 10 on Ten
2005 Tickets
2006 Roads of Kiarostami (Dokumentar-Kurzfilm)
2007 Kojast jaye residan (Dokumentar-Kurzfilm)
2007 Chacun son cinéma ou Ce petit coup au cœur quand la lumière s'éteint et que le film commence (Segment “Where is my Romeo?”)
2008 Shirin
2010 Copie conforme (Die Liebesfälscher, Certified Copy)
2012 Like Someone in Love