ARVO PÄRT

Komponist

Geboren am 11. September 1935 in Paide, Estland. 1954 begann er ein Musikstudium an der Musikschule in Tallin, musste jedoch 1954 bis 1956 seinen Militärdienst absolvieren. Von 1957 bis 1963 studierte Pärt am Konservatorium in Tallinn Komposition bei Heino Eller und arbeitete daneben von 1958 bis 1967 als Tonmeister beim estnischen Rundfunk.

Seine erste Schaffensperiode begann mit neoklassizistischer Klaviermusik über Dodekaphonie (Zwölftontechnik), Klangflächenkomposition, Aleatorik (Zufallsmusik) und die Collage-Technik. Mit „Nekrolog“ (1960), das erste baltische Zwölftonwerk, und „Perpetuum mobile“ (1963) avancierte Pärt zu einem radikalen Vertreter der sowjetischen Avantgarde. Sie brachten ihm auch erste Anerkennung im Westen. Danach zog sich Pärt fast acht Jahre zurück. Pärts offenes Bekenntnis zum Christentum (das gesungene „Credo in Jesum Christum“) wurde als politische Provokation und als Angriff auf das Regime betrachtet. Um den Lebensunterhalt für seine Familie zu verdienen, schrieb er Filmmusiken.
Die Jahre der Reflexion und des intensiven Studiums des gregorianischen Gesangs, der Notre Dame School und der klassischen Vokalpolyphonie führten bei Pärt zu einer extremen Reduzierung der kompositorischen Mittel auf wenige rhythmische, melodische und harmonische Bausteine. Dieser neue Kompositionsstil, der auf einem glockenähnlichen Dreiklang beruht, „Tintinnabuli-StiI“ (lat. „kleines Glöckchen“) genannt, durchdringt seit dem Klavierstück „Für Alina“ (1976) bis heute seine Werke.

1980 emigrierte Arvo Pärt auf Druck der sowjetischen Regierung mit seiner Familie nach Wien, wo er die österreichische Staatsbürgerschaft erhielt. 1981 kam er als Stipendiat des Deutschen Akademischen Austauschdienstes mit seiner Familie nach Berlin-Lankwitz. Den Durchbruch zur internationalen Anerkennung und Popularität schaffte Pärt 1984 mit seiner ersten Schallplatten-/CD-Veröffentlichung, auf der sich mit „Tabula Rasa“ (1977), „Fratres“ (1977) und „Cantus in Memory of Benjamin Britten“ (1977) seine bis dahin bekanntesten Kompositionen fanden.

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der Unabhängigkeit Estlands lebt Pärt seit 2010 wieder in Estland. Im selben Jahr gründete er mit seiner Familie das Arvo Pärt Centre in Laulasmaa in der Nähe von Tallinn. Für seine Werke wurde er mit zahlreichen Preisen und Ehrungen international ausgezeichnet, darunter 1996 Ehrenmitglied der American Academy of Arts and Lettres, 2011 Ernennung zum Mitglied des Päpstlichen Rates für die Kultur im Vatikan, Ehrendoktorate unter anderem 1996 der Universität von Sydney, 2002 der Universität von Durham, 2010 der Universität von St. Andrews und 2016 der Universität von Oxford.

Auszeichnungen (Auswahl)
2018 Gloria-Artis-Medaille
2017 Joseph-Ratzinger-Preis
2015 Österreichisches Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst
2015 Verdienstkreuz I. Klasse der Estnischen Evangelisch-Lutherischen Kirche
2014 Praemium Imperiale
2011 Chevalier de la Légion d‘Honneur
2008 Österreichisches Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse
2008 Léonie-Sonning-Musikpreis
2007 Internationaler Brückepreis
2005 Preis der Europäischen Kirchenmusik
2005 Musical America Composer of the Year
2001 Commandeur de l‘Ordre des Arts et des Lettres
2000 Herder-Preis
1989 Edison Classical Music Award
1978 Estnischer Musikpreis

Werke (Auswahl)
2018 Sinfonie Nr. 4, Los Angeles für Streichorchester, Harfe, Pauken und Schlagzeug)
2015 Adam’s Passion, Produktion Robert Wilson, basierend auf Adam's Lament, Tabula Rasa, Miserere und Sequentia
2009 Adam‘s Lament für Chor und Streichorchester
1985-2008 Stabat Mater für gemischter Chor und Streichorchester (Uraufführung bei den Wiener Festwochen)
2002 Lamentate für Klavier und Orchester (Uraufführung in der Londoner Tate Modern)
1999-2000 Orient & Occident für Streichorchester (Auftragswerk Berliner Festwochen)
1997 Kanon Pokajanen für gemischter Chor a capella (Uraufführung zur 750-Jahre des Kölner Doms)
1994-1996 Litany: Prayers of St. John Chrysostom for each hour of the day and night für Soli, gemischten Chor und Orchester (Weltpremiere beim Oregon Bach Festival in Eugen, USA)
1989-1992 Miserere für Soli, gemischter Chor, Ensemble und Orgel
1988-1990 Festina lente für Streichorchester und Harfe ad lib.
1982 Johannes Passion, Passio Domini nostri Jesu Christi secundum Joannem für Soli, gemischter Chor, Instrumentalquartett und Orgel, Uraufführung vom Kammerchor des Bayerischen Rundfunks, 1984)
1978-2003 Spiegel im Spiegel für Viola und Klavier, bzw. andere Streich- oder Blasinstrumente solo mit Klavier
1977-1991 Fratres für Violine und Klavier, Streichquartett, Streichorchester und Schlagzeug
1976-1980 15 Tintinnabuli-Kompositionen, darunter Pari Intervallo (1976), Cantus in Memory of Benjamin Britten (1977), Fratres (1977), Tabula rasa (1977) und Spiegel im Spiegel (1978).
1976 Für Alina für Klavier
1971 Sinfonie Nr. 3
1968 Credo für Klavier, gemischter Chor und Orchester
1966 Sinfonie Nr. 2
1964 Quintettino für Flöte, Oboe, Klarinette, Fagott und Horn
1963 Sinfonie Nr. 1
1963 Perpetuum mobile für Orchester
1960 Nekrolog für Orchester

Bibliografie (Auswahl)
2006 Conen, Hermann (Hrsg.): Arvo Pärt – Die Musik des Tintinnabuli-Stils. Köln: Dohr
2006 Gröhn, Constantin: Dieter Schnebel und Arvo Pärt – Komponisten als „Theologen“. Berlin, Münster: Lit
2002 Kautny, Oliver: Arvo Pärt zwischen Ost und West – Rezeptionsgeschichte. Stuttgart, Weimar: Metzler
1997 Hillier, Paul: Arvo Pärt. Oxford: Oxford University Press

„Ich habe entdeckt, dass es genügt, wenn ein einziger Ton schön gespielt wird. Dieser Ton, die Stille oder das Schweigen beruhigen mich. Ich arbeite mit wenig Material, mit einer Stimme, mit zwei Stimmen. Ich baue aus primitivem Stoff, aus einem Dreiklang, einer bestimmten Tonqualität. Die drei Klänge eines Dreiklangs wirken glockenähnlich. So habe ich es Tintinnabuli genannt.“ (Arvo Pärt)

 

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